Quo Vadis Immobilienwirtschaft?

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Kaum jemand kennt sich in unserer Region so gut in der Immobilienwirtschaft aus wie Konstanze Pohl. Die Architektin hat mit ihrem Projektentwicklungs-Büro pohl.projects zahl­reiche renommierte Objekte in Dresden und Umgebung realisiert. Im großen Experten­interview sprachen wir mit der versierten Branchenkennerin über die Folgen der Corona-Krise für die unterschiedlichen Akteure im Immobiliensektor. Dabei wird deutlich: Die Belas­tun­gen sind nicht überall gleich. Während die Auswirkungen in einigen Bereichen kaum spürbar sind, stehen in anderen Geschäftszweigen Existenzen auf dem Spiel.

Vor Corona ging es der Bau­branche gut. Haben die Restrik­tionen durch die Pandemie auch in diesem Sektor zu einer Krise geführt?
Konstanze Pohl: Generell kann man sagen, dass der Bauboom unvermindert anhält. Die Auftragsbücher der Baufirmen sind voll. Es gab kaum Kurzarbeit. Die letzten Zahlen sprechen für sich: Im Baugewerbe waren im Mai ca. 22.000 Menschen von Kurzarbeit betroffen. Bei anderen Branchen mehrere Millionen. Das ist im Vergleich verschwindend gering.

Wird dieser Trend anhalten?
Im kleinen und privaten Wohnungsbau wird der Auftrags­wert zurückgehen. Die Bürger sind verunsichert und werden vorsichtiger bei Investitionen agieren. Und diejenigen, die risikobereit sind, bekommen bei den Banken schwieriger Kredite. Allerdings macht das nur einen kleinen Teil des Gesamtvolumens der Aufträge aus. Der große Anteil kommt auch weiterhin aus der öffentlichen Hand. Das ist der Bereich, der bei uns den Markt steuert. Hier ist in Zukunft sogar noch mit einer Steigerung zu rechnen, um die Wirtschaft nach Corona wieder anzukurbeln. Denkbar sind etwa neue Wohnbauförderungs-Programme.

Sie rechnen also mit Initiativen zum sozialen Wohnungs­bau?
Konstanze Pohl: Definitiv. Der Staat hat ein ureigenes Interesse daran, weil sonst die Unzufriedenheit im Land wächst.

Konstanze Pohl / Foto: pohl projects

Wie geht es den Immobilienmaklern?
Auch hier gibt es nach wie vor eine große Nachfrage. Das einzige Problem ist das geringe Angebot. Es gibt zu wenig Bauland, zu wenig Immobilien. Durch die Ausnahme­situation wird es auch vereinzelt zu Notverkäufen kommen, wenn Immobilienbesitzer ihre Kredite nicht mehr bedienen können.

In der Wohnungswirtschaft scheinen vor allem Unter­nehmen betroffen zu sein, die sich mit Vermietung und Immo­bilien­verwaltung beschäftigen. Woran liegt das?
Das liegt natürlich daran, dass viele Einzel­personen und Gewerbetreibende ihre Mieten nicht mehr zahlen konnten und diese auf Grundlage der Corona-Gesetze der Bundes­regierung zunächst gestundet wurden. Wie soll das wieder nachgeholt werden? Die Gewerbetreibenden können im 2. Halbjahr nicht plötzlich den doppelten Umsatz einfahren. Die Eigentümer und ihre Vertretungen bei der Hausverwaltung müssen die Immobilien aber trotzdem weiter betreiben und laufende Investitionen bedienen. Gleichzeitig müssen sie für spätere Instandhaltungen Rück­lagen bilden.

Mit welchen Auswir­kun­gen hat das reine Bau­trägergeschäft zu kämpfen?
Das ist ab­hängig von der Zielgruppe. Bei klassischen Investoren wird es Aus­wirkungen geben, hier werden die Kunden ihre Investitionen zurückhalten. Im hoch­­preisigen oder gehobenen Segment sieht es etwas anders aus. In der Regel sind die Akteure hier finanziell so gut aufgestellt, dass die Aus­wir­kun­gen vertretbar und nicht existenzgefährdend sind. Gute Unter­nehmen haben den Still­stand ge­nutzt, bereits neue Kon­zepte zu entwickeln und wollen weiter investieren.

Sind die Veränderungen in der Branche auch in Ihrem Netz­werk spürbar?
Natürlich. Neben dem anhaltenden Bau­boom ist festzustellen, dass marktführende Unter­­nehmen ihre Teilnahme an der bedeutenden Expo Real 2020 abgesagt haben. Für Dresden wurde die Immobilienmesse „Bauen Kaufen Wohnen“ für den Herbst abgesagt. Hier­durch werden wir neue Wege entwickeln, unsere Kunden zu erreichen.

Wie waren die Bauprojekte von der Corona-Krise Ihrer Firma betroffen?
Natürlich war die alltägliche Arbeit aufgrund der Corona-Auflagen auf den Baustellen erschwert. Es kam zu Verzögerungen, Mitarbeiter der Firmen sind ausgefallen oder deren SUB’s, Lieferengpässe mussten bewältigt werden. Die Behörden konnten nur verzögert tätig werden. Ungeachtet dessen haben alle Beteiligten mit viel Einsatz mitgewirkt, die Projekte zielführend fertig zu stellen. Unsere beiden Objekte an der Georgenstraße in Dresden sind erfolgreich durch alle Erwerber in Nutzung gegangen.

Was ist Ihr Ausblick?
Das Maß der Auswirkungen ist noch ungewiss. Die Folgen kommen zeitverzögert. In einem Jahr werden wir mehr Klarheit haben. Unternehmer sind Kämpfer. Einige werden mit ihren Investitionen verunsichert sein, doch Unsicher­heiten wirken sich immer negativ aus. „Betongold“ wird weiterhin einen bedeutenden Stellenwert am Markt einnehmen. So schnell und gewissenhaft alle die Maßnahmen zur Ein­schrän­kung der Pandemie mitgetragen haben, so schnell muss jetzt auch die Wirtschaft wieder angekurbelt werden. Jede Woche, jeder Tag zählt. Wir müssen schnell wieder mindestens das Niveau vor der Pandemie erreichen, andernfalls werden die Auswirkungen der Rezession immens sein.

Interview: Philipp Demankowski

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